Haben Sprachen eine Form, eine Farbe, eine Gestalt? In Bangladesch haben sie zumindest eine eigene Darstellungsform. Etliche Denkmäler sind in Gedanken an Sprachen und ihren kulturellen, historischen Wert errichtet worden. Wie kommt das?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein paar Jahre zurückreisen. 1999 wird der Internationale Tag der Muttersprache von der UNESCO ausgerufen, seit 2000 wird er jedes Jahr am 21. Februar auf der ganzen Welt angegangen. Die Feierlichkeiten und Veranstaltungen sind so vielfältig wie die Sprachen, um die es geht: Es gibt Lesungen, Diskussionen, Vorträge und Workshops, Schnupper-Sprachkurse und Theaterstücke. Gefeiert wird mit Musik und Lyrik, Blumen und Büchern. Für die, die ihn feiern, bietet der Tag einen Anlass, die Sprachenvielfalt der Welt zu würdigen, verschiedene Kulturen kennenzulernen und Impulse zu setzen, um Mehrsprachigkeit zu fördern.
Die Wurzeln des Internationalen Tags der Muttersprache reichen allerdings noch ein halbes Jahrhundert früher zurück – und liegen in Bangladesch. 1947: Indien wird in Pakistan und Indien aufgeteilt. Pakistan besteht nun aus einem westlichen und einem östlichen Teil, wobei Ostpakistan dem heutigen Gebiet Bangladeschs entspricht. Als einzige Amtssprache sowohl für Ost- als auch für Westpakistan gilt Urdu – obwohl 56% der Bevölkerung des heutigen Bangladeschs Bangla sprechen.
Es beginnt ein langer Kampf um die Anerkennung der eigenen Sprache, angeführt von Studierenden der Universität Dhaka, heutige Hauptstadt Bangladeschs. Am 21. Februar 1952 versammeln sich Studierende vor dem Universitätsgebäude. Ihrem friedlichen Protest begegnet der Staat mit Gewalt: Es kommt zu mehreren Toten. Zwei Jahre später, 1954, wird Bangla schließlich der Status einer offiziellen Sprache verliehen. Die Anerkennung der „eigenen“ Sprache ebnet auch den Weg zur Unabhängigkeit: 1971 wird Bangladesch für unabhängig erklärt.
Noch heute ist die Sprachbewegung in Bangladeschs lebendiger Teil der Erinnerungskultur. Der 21. Februar ist auch bekannt als „Tag der Märtyrer“ (Shohid Dibôsh) und gilt in Bangladesch als gesetzlicher Feiertag. Das Denkmal Shaheed Minar in Dhaka soll an die Menschen erinnern, die bei den Protesten 1952 ihr Leben ließen. So bedeutend ist der Kampf um die eigene Sprache für die kollektive Identität, dass Nachbauten des Denkmals in zahlreichen anderen Städten angefertigt wurden.
Auf Initiative des im Ausland lebenden Bangladeschi Rafiqul Islam, der sich 1998 an die UN wandte, ist der 21. Februar nun auch auf der ganzen Welt bekannt. Heute jährt er sich zum 21. Mal: Es ist der Tag der Mehrsprachigkeit, der Sprachenrechte und der sprachlichen Vielfalt.
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Bildquelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shaheed_Minar.JPG von Mostaque Ahammad (CC BY-SA), aufgerufen am 16.02.2021